„Jesus Christus, Gottes Sohn, ist die gewaltigste Weltwahrheit, die wir besitzen“ (Adolph Kolping). Dieser Satz allein reicht eigentlich als Begründung aus. Aber wie kommt eine solche Aussage zustande? Kolping hat ihn – wie ein Vermächtnis – an seinem Lebensende in den „Rheinischen Volksblättern“ veröffentlicht. Seinen Glauben hat er schon von Jugend an bekannt. Für diesen Superlativ hat er Jahrzehnte benötigt. Gerne stimme ich aus voller Überzeugung zu. Der persönliche Glaube macht eine Entwicklung durch. Für mich selbst ist der Punkt gekommen, dass ich das, was mir selbst tiefste Erfüllung bietet, nicht für mich alleine behalten will. Deshalb habe ich diese Homepage eingerichtet. Jede Leserin und jeder Leser kann schauen, ob sie oder er darin Anregung für den eigenen Glauben findet.
 
Meine Erfahrung ist: Glaube ist zugleich Offenbarung und Geheimnis. Gott teilt sich einerseits mit, andererseits bleibt vieles ungewiss. Darin muss jeder Glaubende seinen Weg suchen. Heute bin ich überzeugt, dass ich bereits als Kind eine wichtige Erfahrung gemacht habe, deren Bedeutung ich damals nicht erkannt und deren Chance, die damit verbunden war, ich nicht genutzt habe. Ich war etwa 13 oder 14 Jahre alt und kam vom Ministrantenunterricht nach Hause. Nichts Besonderes ging dem Ereignis voraus. Ich näherte mich der Haustür und blieb stehen. Denn ein starker Eindruck, sogar ein deutliches Spüren war da. Nur ein Gedanke: „Ich bin da!“ Es war ein unbeschreiblicher Glücksmoment. Ich schaute nur wie gebannt durch die blätterlosen Äste der Obstbäume zum Himmel. „Ich bin da!“ Der Gedanke kam aus meinem Inneren. Minutenlang blieb ich fasziniert und verwundert stehen, wollte mich nicht bewegen und atmete bewusst. Ja, ich spürte eine unbekannte, rätselhafte Wirklichkeit – deutlich, aber nicht übermächtig. Es war die Begegnung mit einer anderen, bisher unbekannten Dimension. 
Wie habe ich reagiert? Nun, ich war völlig unvorbereitet. Mit „so etwas“ hatte ich nicht gerechnet. Und ich wusste nichts damit anzufangen. Irgendwann habe ich mir gesagt: „Jetzt muss es aber weitergehen“, holte den Haustürschlüssel heraus und blendete das Vorangegangene aus. Ich wollte „vernünftig“ sein und nichts auf irgendwelche Einbildungen geben. Was gerade geschehen war, habe ich lange verdrängt. Warum habe ich das Ereignis nicht ernst genommen? Warum musste alles mit der Vernunft erklärbar sein? Warum habe ich mich nicht wirklich auf die Suche gemacht?
 
Zehn Jahre später kam die Wende. Inzwischen hatte ich im kirchlichen Ehrenamt weitergemacht: vom  Ministranten zum Lektor; zugleich zum Leiter zweier Teams in der KJG (Katholische Junge Gemeinde). Wir gründeten eine eigene Zeitschrift, die „Lupe“. Auflage: einige hundert Exemplare, die wir selbst verteilten. Natürlich waren wir als junge Leute kritisch und lieferten nicht nur Berichte, sondern entfesselten auch Debatten. Ich wurde der Chefredakteur, denn kurz zuvor hatte ich angefangen, als freier Mitarbeiter der Tageszeitung „Ruhr Nachrichten“ zu arbeiten. Ein eher zufällig entstandenes Titelfoto hatte mich in die Welt des Journalismus katapultiert. Bis zum Abitur entstanden nur einzelne Berichte; danach erhielt ich wöchentlich mehrere Aufträge, oft auch mit Foto. In der damals fünftgrößten Stadt Deutschlands ein interessanter Nebenjob. So war ich – abends und am Wochenende – bei vielen Großereignissen dabei und lernte viele Prominente kennen.
Aber ich hatte mir einen selbst gebastelten Glauben angeeignet. Gott hatte ich mir als Buchhalter vorgestellt, der am Ende meine guten und schlechten Taten in eine Waagschale wirft. Ich dachte mir, dass ich über dem Durchschnitt liegen müsste; es würde schon reichen. 
Welche primitive Vorstellung! Merkwürdig: Um unendlich viele Themen machen sich Menschen großartige Gedanken, nur bei der Gottesvorstellung kommt es nicht darauf an, wie qualifiziert sie ist. In meine Umgebung passte das gut hinein; ich bin nicht aufgefallen mit meiner simplen Eigenkonstruktion. 
Nichts hat mich zu einem näheren Nachdenken gebracht, bis zum Oktober 1979. Trotz aller Oberflächlichkeit habe ich gesucht. Allerdings so nebenbei. Ich ahnte, dass es mehr geben müsste als ich erlebte. Zufällig traf ich auf eine Gruppe überwiegend junger Christen, die kaum in eine kirchliche Schublade passten. Sie haben mich fasziniert; ich fühlte mich wie in der ersten Urgemeinde, von der die Apostelgeschichte berichtet.
Das hat mich neugierig gemacht. Vor allem ihr gemeinsamer Einsatz für Menschen am Rande der Gesellschaft. Zum ersten Mal erlebte ich, wie ein Pastor beim Stühle-Schleppen mithalf. Ein unwesentliches Detail? Nein, eine Feinheit von wesentlicher Bedeutung, starker Ausdruck von Geschwisterlichkeit, die mir deutlich wurde. Alle waren tief gläubig, manche hatten Drogenabhängigkeiten hinter sich, wie ich später hörte. Einzelnen waren die Spuren des Lebens noch ins Gesicht geschrieben. Aber sie besaßen alle eine innere Freude, die mir in dieser Art unbekannt war. 
Ich kam ins Nachdenken. Von diesen Christen ging eine besondere Anziehungskraft aus. Ich habe mit ihnen diskutiert, ihnen heimlich unterstellt, dass eine Sekte dahinter steht und ihnen unberechtigte Vorwürfe gemacht. Ich habe eben die „Argumente“ vorgebracht, die damals und heute üblich sind gegenüber Christen mit einem lebendigen, bekennenden Glauben. 
Sie hatten Geduld mit mir und meiner eher unbewusst gesteuerten Reaktion. In einem Gespräch wurde ich gefragt, ob ich den Heiligen Geist empfangen hätte. Heiliger Geist? In meiner Jugend habe ich gerne Witze darüber gemacht, dass ich ausgerechnet am Pfingsttag geboren worden war. Aber: Heiliger Geist? Darauf konnte ich keine Antwort geben.
In diesem Gespräch kam ich an den Punkt, dass diese Leute irgendwie recht haben können. Mit ihrer unmittelbaren Ernstnahme der Heiligen Schrift. In einem Moment konnte ich glauben, dass alles zutrifft, was über Jesus Christus überliefert ist. Alles, auch das bisher unmöglich Erscheinende. Jetzt wiederholte sich, was ich zehn Jahre zuvor im Vorgarten beim Heimweg von der Ministrantenstunde erlebt hatte: Ein starker Eindruck der Gegenwart Gottes. Ich spürte in Seele und Körper eine Nähe und einen unbeschreiblichen inneren Frieden. Dann kam mir mein Leben wie in einem innerlich ablaufenden Film aus einer anderen, bisher unbekannten Perspektive zu Bewusstsein, wie in einem innerlich ablaufenden Film. Das war erschütternd, denn jetzt fehlte alle Schönfärberei und Selbsttäuschung, die ich mir gebastelt hatte. Verschwunden waren die Entschuldigungen für dieses und jenes Verhalten, für Dinge, die ich anderen Menschen angetan hatte. Weniger aus Bosheit hatte ich andere Menschen verletzt; vielmehr, weil ich mich mit der Lüge oder dem, was alle tun, arrangiert hatte. Weil ich der Wahrheit über mich selbst aus dem Wege gegangen war. Weil ich die Schuld gerne bei anderen gesucht hatte. Eigenes Versagen und persönliche Schuld wollte ich bisher nicht wahrhaben und habe es verdrängt. Auch die zwischenmenschlichen Probleme, die ich damit auslöste. Das alles wurde mir schlagartig bewusst.
Es war wie ein Fegefeuer. Soviel Dinge standen jetzt innerlich im Raum, und ich hatte keine Entschuldigung! Die innere Anklage war gewaltig. Wahrscheinlich habe ich in dieser Situation das erste Mal begriffen, dass ich schuldig geworden bin. Zum Glück hatte ich Menschen um mich herum, die mir den Ausweg aufzeigten: Jesus hat die Erlösung gebracht und vergibt auch dem größten Sünder! Diese Erlösung gilt auch mir persönlich! Zwar kann ich nicht aus eigener Kraft vor Gott und vor der Wahrheit bestehen, aber es gibt Vergebung. Ich konnte unmittelbar eine Lebensbeichte ablegen. Danach war ich so erleichtert, dass ich über den nächsten Zaun gesprungen bin. Diesen Tag habe ich nie vergessen, und Gottes Gegenwart ebensowenig. Ich hatte ja erlebt: Gott nutzt genau den Moment, in dem ich die Tür meines Inneren aufgemacht habe. Er macht einen Schritt auf mich zu und hilft mir, die Wahrheit über mich selbst zu erkennen. Ja, wenn Gott mich so genau kennt und auf mich eingeht, wenn er meine innere Last wegnimmt, dann stimmt es: Er ist Liebe! Er kümmert sich um mich! Er sucht die Gemeinschaft mit mir. – Na, dann ist es keine Kunst, oft an ihn zu denken. 
Irgendwann lud mich mein Pfarrer zu einem Gespräch ein und fragte, ob ich nicht Priester werden möchte. Ich war noch mitten im Jura-Studium. Ohne zu zögern und mit voller Überzeugung antwortete ich: „Nein, ich sehe mich als Laie berufen.“ Aus einer kleinen Gebetsgruppe, die ich in unserer Gemeinde gegründet hatte, ging aber tatsächlich bald darauf ein Priester hervor.
 
Beim Journalismus bin ich also geblieben. Zu dieser Zeit war ich bereits Chefredakteur einer Studentenzeitung, die wie eine Tageszeitung hergestellt wurde, Auflage 16.000 bis 20.000 Exemplare. Außerdem sprach mich die CDU-Ratsfraktion meiner Heimatstadt an, die eine eigene Zeitschrift gründen wollte. Ich wurde deren Blattmacher. Für die Tageszeitung arbeitete ich weiterhin regelmäßig. Da ich ohne Leidenschaft und eher pro forma studierte, war das gleichzeitig möglich. 
Auch mein ehrenamtliches Engagement in einer – Verbandler würden sagen – „grauen Gruppe“. Nach meinem Umkehrereignis nahm ich an Kurz-Exerzitien teil, was auch dringend nötig war; es war viel aufzuarbeiten. Dadurch bekam ich auch Kontakt zu einer katholischen Gruppe in meiner Heimatstadt, in der sich eine Reihe junger Erwachsener wöchentlich traf, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten wie ich selbst. Aus einem Gebetskreis war eine offene Teestubenarbeit entstanden. Samstagabends war in einem zentral gelegenen Pfarrzentrum jeder willkommen. Die „Arche“, wie die Teestube genannt wurde, war ein Anziehungspunkt für Gläubige und Ungläubige. Es kamen meist junge Menschen, die frisch zum Glauben gefunden hatten und bei denen Begleitung angesagt war, und Menschen, die vielleicht eher zu denjenigen gehörten, die am Rande der Gesellschaft standen, z. B. mit Drogen- und/oder Knasterfahrung. Die mitmenschliche Atmosphäre bildete den Reiz für Neue. Immerhin hatten sämtliche Engagierte eine frische Umkehrerfahrung hinter sich und wollten nun alle Menschen „durchlieben“, die ihnen begegneten. Ja, es war wieder etwas vom Lebensgefühl der Urgemeinde. Wir benötigten keine Hierarchie*. Es gab keine Struktur, keine Ämter, oft nicht einmal feste Aufgabengebiete. Es klappte alles so gut, dass niemand auf eine andere Idee kam. In dieser Nicht-Struktur haben wir immerhin auch ein bundesweites Jugendtreffen mit vielen hundert Teilnehmern erfolgreich organisiert. 14 Jahre habe ich dort mitgemacht, bis zu meinem berufs- und familienbedingten Umzug in einen 100 km entfernten Ort.
Bald nach meiner Umkehr sprach mich der Kolping-Bundesvorsitzende an, ob ich nicht Chefredakteur des Kolpingblattes werden wollte. Längere Zeit konnte ich mich nicht dazu entschließen. Dann überredete er mich zu einem Gespräch mit dem damaligen Bundessekretär in Köln. 
Mit Kolping hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt keine Berührung. Mein Großvater hatte zwar als Handwerker in seiner Jugend im Kolpinghaus gewohnt, und mein Vater hat genau in diesem Kolpinghaus nach Kriegsende die CDU meiner Heimatstadt mitbegründet. Aber mir sagte Kolping überhaupt nichts. Umso größer die Überraschung in Köln: Ich begegnete wieder faszinierenden Menschen mit Authentizität, Glauben, Bodenhaftung und Ausstrahlung. Wow! Ich entdeckte, dass ich – frei nach Karl Rahner – ein anonymer Kolpinger war. Diese Aufgabe begeisterte mich: Nun konnte ich alles, was mir Erfüllung und Sinn gab, miteinander verbinden: die Freude am Journalismus, die Weitergabe des Glaubens, die praktische Umsetzung der Katholischen Soziallehre, die Mitgestaltung von Politik und Gesellschaft, das Miteinander in einer großen Gemeinschaft, der unendlich viele vorbildliche Persönlichkeiten angehören. Nach mehren Jahren als nebenberuflicher Redakteur – ich wollte noch mein juristisches Staatsexamen ablegen – wurde ich dann im Alter von 28 Jahren Chefredakteur einer Monatszeitung mit mehr als 200.000 Auflage. Das blieb ich dann 36 Jahre, weil ich mir keine schönere Aufgabe vorstellen konnte. Neuerdings bin ich im Ruhestand. Mein Fazit: 
„Jesus Christus, Gottes Sohn, ist die gewaltigste Weltwahrheit, die wir besitzen“ (Adolph Kolping).
 
* Zum Thema Hierarchie: Wörtlich übersetzt bedeutet es „Herrschaft des Heiligen“ (Geistes). Am ursprünglichen Wortsinn gemessen hatten wir also gerade eine Hierarchie, eben ohne die strenge Rangordnung, die wir heute damit verbinden.
Martin Grünewald