Adolph Kolping

Missionar für Jesus und
engagiert für die sozial Schwachen

Ein Mensch prägt Hunderttausende, vielleicht Millionen anderer Menschen. Adolph Kolping ist das gelungen. Dabei waren die Voraussetzungen äußerst ungünstig. An Adolph Kolping wird aber sichtbar, was Gott aus einem Menschen machen kann, wenn der Mensch nur mitwirkt. Da können die Umstände noch so ungünstig sein.

Seine Eltern sind arme Leute, aber tief gläubig. Er wächst in einem unbedeutenden Ort auf. Nichts spricht dafür, dass dieser Mensch einmal weltweit als Vorbild bekannt wird.

Kolping ist bildungshungrig. Nach seiner Lehre als Schuhmacher geht er auf Wanderschaft nach Köln, weil er sich in der großen Stadt ein Weiterkommen erhofft. Aber er wird enttäuscht: Er ist entsetzt über die Niveaulosigkeit der Menschen. Er liest weiterhin viel und möchte Priester werden. Doch das scheint unmöglich. Der Besuch einer weiterbildenden Schule ist aus finanziellen Gründen nicht möglich. Kolping erhält das verlockende Angebot, in eine attraktive Werkstatt einzuheiraten. Stattdessen macht er sich auf den Weg, Priester zu werden. Dass dies gelingt, führt er auf eine unbeschreibliche Menge göttlicher Fügungen und Führungen zurück. Er schafft es! Gestärkt durch unzählige Erfahrungen, dass Gott ihm – trotz aller Schwierigkeiten – beisteht, geht er seinen Weg.

Wieder wie durch ein Wunder erhält er ein Stipendium und kann in München studieren, wo er prägenden Persönlichkeiten begegnet. Diese Menschen sind gläubige Christen und zugleich lebenskompetent. Auf einer Wanderung durch die Alpen begegnet Kolping zwei Mystikerinnen – junge Frauen, die so tief mit Jesus verbunden sind, dass sie seine Wundmale tragen.  Das befremdet Kolping keineswegs, im Gegenteil – er ist beeindruckt und erneut in seinem Glauben gestärkt. Später setzt er sein Studium in Bonn fort, wo er Reformkatholiken erlebt, die nicht auf den Papst hören und ihren eigenen Weg gehen. 

Kolping scheut nicht den Konflikt und tritt für seine Überzeugung ein. Er kämpft für die Anerkennung des römisch-katholischen Glaubens. Nach seiner Priesterweihe wird er vom Bischof im einem mit am stärksten industrialisierten Teil Deutschlands eingesetzt. Kolping ist eigentlich fasziniert von der theologischen Wissenschaft. Nun trifft er auf seine früheren Standesgenossen. Er gibt seine akademischen Ambitionen auf und unterstützt den vom Lehrer Johann Gregor Breuer begleiteten Gesellenverein. Er wächst immer stärker in diese Aufgabe hinein und findet darin seine Lebenserfüllung. Von Köln aus breitet er diese Idee aus – bereits länderübergreifend. Heute gibt es das Kolpingwerk in über 60 Ländern weltweit – nicht als Gesellenverein, sondern als Organisation der Selbst- und Gemeinschaftshilfe.

In seinem Herzen ist Kolping zuerst Missionar für Jesus, erst an zweiter Stelle Sozialarbeiter und -reformer. Bereits als Schüler hat er in seinem Tagebuch notiert, wie wichtig für den Einzelnen und die Gesellschaft insgesamt die Hinwendung zum christlichen Glauben ist. Nur darin sieht er Chancen auf nachhaltigen Erfolg für ein besseres Zusammenleben der Menschen. Deshalb wird er ein erfolgreicher Publizist und Zeitungsgründer. Dafür wendet er alle Energie auf. In seinem großen Eifer nimmt er zuwenig Rücksicht auf die eigene Gesundheit. Über 60.000 Menschen haben es ihm in Rom bei seiner Seligsprechung 1991 gedankt.

Lebensbild: Adolph Kolping

Auch heute – mehr als 200 Jahre nach seiner Geburt – ist Adolph Kolping ein Mensch, der begeistert. Allein in Deutschland gibt es fast eine Viertelmillion Mitglieder im Kolpingwerk, und weltweit hat sich der Verband in mehr als 60 Ländern ausgebreitet. Warum? Hier einige kurze Antwortversuche.

  • Adolph Kolping ist Wegbereiter einer demokratisch strukturierten Laienbewegung. Als einer der ersten überhaupt verwirklicht er die Selbstorganisation der Betroffenen. Das Kolpingwerk bietet heute die Möglichkeit, in organisierten Gruppen den christlichen Glauben zu praktizieren und damit weit mehr zu bewirken, als es einzelne Menschen erreichen können.
  • „Lebenslanges Lernen“ ist heute aktuell. Adolph Kolping ist ein Wegbereiter organisierter Weiterbildung. Er selbst besuchte als 24-Jähriger gemeinsam mit zehn Jahre jüngeren Mitschülern eine weiterbildende Schule und war damit in seiner Zeit ein Exot. In den Gesellenvereinen verankerte er die systematische Erwachsenenbildung. Sie wurden zu Vorläufern der Volkshochschulen und der dualen beruflichen Bildung.
  • Adolph Kolping war ein Pionier bei der Schaffung sozialer Sicherungssysteme. Er gründete soziale Selbsthilfeeinrichtungen wie Sparvereine und Vorläufer der Krankenkassen – Jahrzehnte, bevor der Staat Sozialversicherungen schuf (ab 1881). Kolping brachte die Prinzipien von Freiheit, Selbstverantwortung und Solidarität ins Lot und gibt darin bis heute wertvolle Orientierung.
  • Er war ein Wegbereiter der Katholischen Soziallehre bzw. Christlichen Gesellschaftslehre. Als Priester durchbrach er die Distanz zwischen Klerus und Arbeiterschaft. Er war praktischer Vorreiter der ersten päpstlichen Sozialenzyklika. Papst Johannes Paul II. wies darauf bei der Seligsprechung ausdrücklich hin, die genau 100 Jahre später erfolgte.
  • Adolph Kolping war ein begabter Kommunikator und einer der erfolgreichsten katholischen Publizisten des 19. Jahrhunderts. Er erkannte rechtzeitig den wachsenden Einfluss der Massenmedien, war zugleich Chefredakteur und Verleger und gründete u.a. eine auflagenstarke Wochenzeitung. Aus den Erlösen finanzierte er den Verbandsaufbau.
  • Adolph Kolping war ein besonderer Seelsorger, der die Menschen in allen Lebensbezügen ansprechen und sie zu kompetenten Persönlichkeiten formen wollte: also erfolgreich in Beruf und Familie sowie engagiert in Kirche und Gesellschaft. Er strebte den sozialen Wandel durch Veränderung des Menschen an: Die Gesinnungsreform hatte für ihn Vorrang vor der Reform der äußeren Zustände. Ein Gegenmodell etwa zu seinem Zeitgenossen Karl Marx.
  • Papst Johannes Paul II. meinte: „Adolph Kolping war ein Mystiker der Tat. Indem ihm Gott im Gebet nahe war, suchte er die Nähe der Menschen.“

Machen wir uns auf den Weg, sein Geheimnis zu entschlüsseln:

Adolph Kolping wird am 8. Dezember 1813 in Kerpen als viertes Kind eines Lohnschäfers geboren. Der Ort liegt linksrheinisch 25 km von Köln entfernt.
Es ist eine Zeit der Brüche und Umbrüche. Napoleon erobert weite Teile Europas und verbreitet die Ideen der französischen Revolution. Dabei beendet Napoleon gemeinsam mit interessierten deutschen Fürsten das Heilige Römische Reich deutscher Nation und die seit 900 Jahren bestehende staatliche Ordnung. Die linksrheinischen Gebiete werden an Frankreich abgetreten.

Es folgt nun kein deutscher Nationalstaat, sondern neben den beiden rivalisierenden Großmächten Preußen und Österreich bilden sich mit Hilfe Napoleons neue Kleinstaaten. Zur Finanzierung dieser staatlichen Neuordnung werden die Besitztümer der Kirchen und Ordensgemeinschaften eingezogen, die Orden werden unter Zwang aufgelöst.

Im Geburtsjahr Adolph Kolpings – zehn Jahre später – beginnt der Abstieg Napoleons. Kerpen steht noch unter französischer Verwaltung, deshalb wird die Geburtsurkunde Adolph Kolpings in französischer Sprache verfasst.
Bei der Anmeldung der Geburt in der Bürgermeisterei von Kerpen erklärt Vater Peter Kolping, dass er die Urkunde nicht unterschreiben kann. Zwei Zeugen beglaubigen an seiner Stelle.

Aber die französische Herrschaft dauert nur noch wenige Wochen: Napoleon befindet sich nach der Völkerschlacht in Leipzig bereits auf der Flucht in Richtung Westen. Das Rheinland wird jetzt preußisch.

Es gibt nicht nur radikale politische Veränderungen. Zahlreiche Erfindungen verändern die Wirtschaft und damit die Gesellschaft in Europa. Ein Beispiel: Im Jahr 1851 findet in London die erste Weltausstellung statt. Das Veranstaltungsgebäude verdeutlicht die revolutionären technischen Fortschritte: Der Kristallpalast wird allein aus den Werkstoffen Stahl und Glas hergestellt. Nach der Weltausstellung wird er demontiert und in einem anderen Stadtteil wieder aufgebaut.

Welche revolutionären Veränderungen für das Leben der Menschen sich ankündigen, ahnt niemand in Kerpen zur Zeit der Geburt Adolph Kolpings. Er beschreibt später seine Kindheit und Jugend als eine glückliche Zeit – trotz der armen Verhältnisse im Elternhaus. In seinem Lebenslauf schreibt er dazu:
„Meine Eltern waren stille, ehrbare Leute, deren ganzes Vermögen in einer zahlreichen Familie bestand, deren Unterhalt ihnen vollauf zu tun gab.“
Er bewundert den tiefen Glauben seiner Mutter, die trotz der sehr bescheidenen Lebensumstände eine liebevolle Geborgenheit in der Familie herstellt. Zu ihrem frühen Tod im Jahr 1833 widmet er ihr ein Gedicht mit 26 Strophen, das die ganze Bewunderung ihres Lebenswerkes zum Ausdruck bringt.

Rückblickend beschreibt er auch seinen Vater mit Bewunderung: „Der flucht nicht, tobt nicht, reißt nicht aus, schiebt nicht die Schuld auf diesen oder jenen, gar auf Weib und Kind, wozu gar kein Mut, aber eine gute Portion erbärmlicher Feigheit gehört, sondern bleibt Mann; und weil er Mann bleibt, werden die übrigen auch Mut fassen und das Kreuz leichter tragen.“

Mit großer Begeisterung besucht Adolph Kolping die Schule in Kerpen. Das liegt an dem engagierten Dorflehrer Jakob Wilhelm Statz, der alle Schüler in einer einzigen Klasse unterrichtet. Mit Geduld und Leidenschaft versucht der tief religiöse Lehrer, die Anlagen und Fähigkeiten in den Schülern zu wecken und sie wissensdurstig zu machen. „Die glücklichsten Stunden meines Lebens habe ich unter seiner Aufsicht zugebracht.“
„Meine Augen leuchteten, wenn er in seiner frischen Weise, mit der ganzen Liebe eines Vaters, seinen Schülern, die gleichsam an seinem Munde hingen, die Lebensgeschichten großer Männer erzählte und sie mit Kenntnissen bereicherte, die nicht zu dem Pensum gewöhnlicher Landschulen gehörten, die aber für alle Knaben, welche über dem gewöhnlichen Niveau standen, etwas ungemein Anregendes und Begeisterndes hatten.“

Das Vorbild des Lehrers und des Pfarrers weckt in dem Schüler den Wunsch nach höherer Bildung. Seine Eltern sind bereits froh, dass sie ihm überhaupt den Besuch einer Grundschule ermöglichen können. Dass er danach als 12-Jähriger eine Ausbildung als Schuhmacher beginnen kann, gilt als eine Errungenschaft. Denn er muss nicht als Ungelernter in der Landwirtschaft arbeiten. An den Besuch einer höheren Schule ist nicht zu denken.

Beim Schuhmachermeister Meuser in Kerpen geht er zunächst in die Lehre. Er ist 12 Jahre alt. Nach drei Lehrjahren beginnt er als 15-Jähriger die Gesellenzeit in Sindorf, Düren und Lechenich. Die Wanderschaft der Gesellen bildet eine alte Tradition im Handwerk. Sie fördert die berufliche Qualifikation. Kolpings Arbeitszeugnisse sind gut. Nur einen Vorwurf muss er sich gefallen lassen: „Wenn der Kerl doch die Nase aus den Büchern lassen würde.“ Kolping ist ein wissensdurstiger Büchernarr, der jede freie Minute zum Lesen nutzt.

Nach den ersten drei Gesellenjahren verlässt er seine heimatliche Umgebung und geht auf Wanderschaft nach Köln. Davon verspricht er sich eine noch bessere berufliche Qualifikation. Aber auch sein Bildungsdurst treibt ihn nach Köln.

Kolping ahnt nicht, wie sehr die ab 1807 eingeführte Gewerbefreiheit inzwischen das Handwerk verändert. Seit dem späten Mittelalter regelten die Zünfte alle Belange des Handwerks. Sie kümmerten sich um Ausbildung, Preise, Löhne und Qualitätsstandards. Sie regulierten auch die Zahl der Betriebe. Damit kontrollierten sie den Wettbewerb und hielten sich Konkurrenz vom Leibe. Das hatte auch positive Seiten: In vielen Handwerksbetrieben ging es fast familiär zu; es gab enge soziale Beziehungen, oft gehörten die Mitarbeiter fast zur Familie. Der Meister achtete darauf, dass es ihnen gut ging.

Mit Einführung der Gewerbefreiheit werden Leistungs- und Konkurrenzdruck stärker; das hat zur Folge, dass der Abstand zwischen Chef und Mitarbeitern größer wird. Oft müssen sich jetzt die jungen Männer selbst eine Bleibe suchen. Sie leben dann in Wirtshäusern und verflüssigen ihren Lohn abends in der Gaststube. Viele geraten in einen sozialer Abstieg. Mit der Gewerbefreiheit werden erstmals tausende Handwerksgesellen arbeitslos.

In Köln angekommen, lebt Adolph Kolping – in alter Tradition – im Haus des Meisters, der ihm bald seine einzige Tochter zur Frau geben will. Die angebotene Einheirat in eine angesehene Werkstatt erscheint verlockend. Die Familie ist solide und verhält sich ihm gegenüber vorbildlich. Das Glück scheint für alle zum Greifen nahe.
Aber in dem jungen Handwerksgesellen reift bereits der Wunsch, Priester zu werden. Eines Tages sieht er sich herausgefordert: Will er der guten Familie ihren Herzenswunsch erfüllen? Oder entscheidet er sich für einen völlig ungewissen, eigentlich unmöglich erscheinenden Weg zum Priestertum?

Adolph Kolping beschreibt die Entscheidung über seine Berufung so: „Das Opfer musste gebracht werden. Noch ein paar Wochen und ich verließ eine brave, durchaus christliche Familie, die sich dadurch glücklich machen wollte, dass sie mich glücklich machte.“

Seine ursprünglichen Erwartungen über das Leben in Köln werden enttäuscht. Kolping schreibt dazu in seinem Lebenslauf: „Gebildete Menschen hatte ich gesucht, rohe Gemüter, meist schon in ihrem tiefsten Innern verdorben, die sich der größten Entsittlichung nicht schämten, hatte ich gefunden.“

Im Jahr 1836 zwingt ihn eine Erkrankung, für einige Zeit in seine Heimat Kerpen zurückzukehren. Dort spricht er mit dem örtlichen Pfarrer über seine Berufung, findet aber keine Unterstützung. „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“ – So lautet die ernüchternde Antwort. Sein Vater Peter Kolping meint dagegen, wenn Gott ihn zu einem anderen Stand berufen habe, solle er dem Ruf folgen; Gott werde dann schon weiter sorgen.

Die Reaktion des Vaters gibt ihm Rückhalt und bestärkt Adolph Kolping, nicht nachzulassen. Er wendet sich an einen weiteren Pfarrer aus der Umgebung. Diesmal wird er verstanden. Der Priester gibt ihm den guten Rat, in die Werkstatt nach Köln zurückzukehren, jedoch alle seine Freistunden auf das Erlernen der lateinischen Grammatik zu verwenden. Mit den notwendigen Bücher unter dem Arm kehrt Kolping also in die Domstadt zurück.

Ein schwerer, mühseliger Weg steht ihm bevor. Nach der anstrengenden Arbeit in der Werkstatt folgt das Erlernen des Schulwissens. Einen weiteren Aufenthalt in Kerpen nutzt er zu Nachhilfestunden bei seinem Förderer.
Doch dann wird dieser Priester in eine andere Pfarrei versetzt. Ein Debakel für Kolping? In dem Kerpener Vikar Theodor Wollersheim findet er aber einen neuen Förderer.

Es entwickelt sich eine lebenslange Freundschaft zwischen beiden.
Vikar Wollersheim bringt seinen Schüler so weit, dass er im Herbst 1837 in die Tertia des katholischen Gymnasium zu Köln, das spätere Marzellen-Gymnasium, aufgenommen werden kann.

Eine auch in der damaligen Zeit außergewöhnliche Situation entsteht: Der 24-Jährige lernt gemeinsam mit zehn Jahre jüngeren Schülern. Adolph Kolping nimmt es mit Demut und beweist mit großem Fleiss, dass er sein Ziel erreichen will. Mit Hilfe von Förderern und durch die Erteilung von Nachhilfeunterricht hält er sich finanziell „über Wasser“.
Ein heftiger Bluthusten, der sich in den folgenden Jahren einstellt, schwächt ihn bedenklich. Mit Beharrlichkeit folgt er dennoch seiner Berufung.

Kurz nach seiner Einschulung auf dem Gymnasium beginnt Adolph Kolping damit, ein Tagebuch zu schreiben. Nur für wenige Eintragungen findet er Zeit. Was er niederschreibt, vermittelt tiefe Einblicke in seine Gedankenwelt.

So formuliert er darin als sein Lebensziel: „Erst will ich mich bestreben, Mensch zu sein, die hohe Bestimmung begreifen zu lernen, zu der ich geboren ward; die Pflichten des Menschen erkennen und erfüllen zu lernen, die ihn gerecht machen, unter seinen Brüdern zu leben und für sie zu wirken.“

„Nachdem ich dann erkannt habe die Wege, die zur Vollendung führen, will ich mit festem Fuße sie betreten, will die erkannte Wahrheit festhalten, mit freier, offener Stirne bekennen, was in meiner Seele vorgeht, der Wahrheit ein Zeuge, dem Mitmenschen ein Bruder sein.“

In einem anderen Tagebucheintrag zeigt er seine Enttäuschung über die Gebildeten seiner Zeit und deren moralisches Versagen.
„Man sieht da oft“, sagt er, „wenn man tiefer schaut, keinen Volkslehrer, sondern einen Volksverführer, den gefährlichsten, den es geben mag, der für seine Verräterei noch Ruhm und Ehre, Glück und Beifall erntet.“

Adolph Kolping ist aber nicht nur ein Mensch der guten Worte, sondern auch der praktischen Nächstenliebe. Das beweist er, als ein Freund aus der Gesellenzeit an Pocken („Blattern“) erkrankt. Er übernimmt dessen Pflege, da dieser in Köln niemanden hat, der sich um ihn kümmert. Damit riskiert Kolping Leib und Leben. Seine Antwort: „Meine Hilfe ist hier nötig, also muss ich sie leisten; für das Weitere wird Gott sorgen!“

Tatsächlich steckt er sich an, übersteht die Krankheit aber – anders als sein Freund, den er bis zur letzten Minute begleitet.
Seine Tat bezeugt, dass es Adolph Kolping nicht um Erfolg und Karriere geht, sondern um glaubwürdiges Handeln aus christlicher Überzeugung.

Zahlreich sind die Herausforderungen, denen der junge Mann ausgesetzt ist. Die Gymnasialzeit ist nicht nur anstrengend. Ständig lebt Kolping in der Ungewissheit, wie er seinen Lebensunterhalt finanzieren kann.
Er notiert: „Mehr wie einmal bin ich im Leben in gedrückten Verhältnissen gewesen, habe mehr wie einmal gefühlt, was der verliert, der zu seiner Ausbildung, die ihm am Herzen liegt, nicht die nötigen Mittel herbeischaffen kann.“

In dieser Phase reift sein Glaube: Es wächst in ihm eine ungewöhnliche Gewissheit, dass sein Leben von der Vorsehung Gottes begleitet wird.
Er nimmt so viele Situationen und Begebenheiten wahr, in denen er die Fügungen Gottes erblickt, dass sein Gottvertrauen unerschütterlich wird: „Gott will es so, und was Er will, geschieht!“

Gott ist für Adolph Kolping nicht fern oder unnahbar, sondern sein ständiger Begleiter und verlässlicher Freund. In seinem Lebenslauf hält er fest: „Die Vorsehung führt die Wege des Menschen oft wunderbar, auch ich habe das deutlich erfahren.“ Später schreibt er über das Gebet: „Durchdrungen von der Überzeugung, dass buchstäblich kein Haar von unserem Haupte fällt ohne den Willen unseres Vaters im Himmel, glaube ich in einer vielleicht etwas eigenen Weise an die Kraft des Gebetes. … Ich weiß aus Erfahrung, wie weit man damit reichen kann.“

Die sonst fünfjährige Gymnasialzeit beendet Kolping in dreieinhalb Jahren – vom Herbst 1837 bis Ostern 1841. In den letzten Monaten seiner Schullaufbahn ereignet sich erneut etwas, das er der Vorsehung Gottes zuschreibt. An einem Winterabend wird er sehr spät abends zu einem alten Haus gerufen, das in der Nähe des Domes liegt. Ein anonymer, von unbekannter Frauenhand geschriebenen Zettel ruft ihn dort hin.

Trotz dieser seltsamen Situation folgt Adolph Kolping der Aufforderung.
An der Tür wird er von einem Mann erwartet, der ihn zwei dunkle Stiegen hinaufführt. In dem spärlich beleuchteten Zimmer trifft er auf einen Sterbenden, der in einem ärmlichen Bett liegt. Davor kniet eine Dame, die er als die älteste Tochter des Gutsbesitzers Meller erkennt.„Erschrecken Sie nicht, lieber Kolping“, redet ihn die Dame an, „dass sie mich hier treffen und dass ich Sie noch so spät habe rufen lassen. Ich habe eine Bitte an Sie, für deren Erfüllung ich Ihnen sehr dankbar sein werde. Stehen Sie diesen Mann hier, der Ihnen nicht unbekannt sein wird, im Tode bei und sorgen Sie dann, dass ihm ein anständiges kirchliches Begräbnis zuteil wird; die nötigen Geldmittel finden Sie in diesem Papier eingeschlossen.“ Damit entfernt sich die Dame.

Der Sterbende ist ein ehemaliger Student der Theologie aus der Nähe von Kerpen, der aber in Trunksucht geraten ist und nach Verlassen der Bonner Universität bei der Familie Meller eine neue Chance als Hauslehrer erhalten hat, allerdings erfolglos. Kolping erfüllt den Wunsch der Gutsbesitzertocher.
Sie besucht ihn später in Kerpen und berichtet ihm, dass sie einem hilfsbedürftigen Theologen während seiner Universitätsstudien die nötigen Mittel zur Verfügung stellen möchte. Sie habe sich entschlossen, ihm dieses Angebot zu unterbreiten.

Nach einer längeren Bedenkzeit nimmt Kolping das Angebot an, das an keine Bedingungen oder Verpflichtungen gebunden ist. Er erlebt erneut eine – nach seiner Ansicht – göttliche Fügung und kann wenig später frohen Herzens sein Studium in München aufnehmen.

Er hat sich für die bayerische Metropole entschieden, da er Vorbehalte gegenüber der theologischen Fakultät im nahen Bonn hat.
München verfügt dagegen über Dozenten mit hervorragendem Ruf, darunter Ignaz Döllinger, Friedrich Windischmann und Joseph Görres.
Bald sammelt Kolping einen Kreis von Studierenden aus der Heimat um sich.
Dabei kommen ihm sein höheres Alter und seine größere Reife zugute. Mit vielen verbindet ihn später eine lange Freundschaft. Auch den späteren Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler lernt Kolping in München kennen. Da beide von ihrer Herkunft nicht unterschiedlicher sein könnten, entsteht zwischen ihnen offenbar keine persönliche Beziehung.

Nach einem halben Jahr unternimmt Kolping gemeinsam mit jüngeren Studenten sowie einem sprachkundigen Begleiter eine Fußreise über Innsbruck, Bozen, Meran und Verona bis nach Venedig.
Elf Stunden täglich wandern sie im Durchschnitt. Die Erlebnisse hält Kolping in einem Reisetagebuch ausführlich fest. Er ist begeistert von Land und Leuten, die er aufmerksam beobachtet, und besichtigt interessiert die kulturellen Sehenswürdigkeiten.

In den Bergen besucht die kleine Wandergruppe zwei junge Frauen, die unter ganz ungewöhnlichen Umständen in den einsamen Dörfern Kaltern und Capriana leben. Beide sind bettlägerig und tragen die Wundmale Jesu an ihrem Körper. Kolping beobachtet diese Phänomene interessiert. Er notiert: „Stumm und staunend standen wir eine Weile neben ihr“. Er lässt keinen Zweifel an den mystischen Vorgängen erkennen. Vielmehr widmet er diesem Thema einen längeren Aufsatz und zeigt Interesse für christliche Mystik insbesondere von Josef Görres.

Noch ein Semester, und er verlässt die von ihm geliebte Stadt München und ihre Universität. Sein Abgangszeugnis datiert vom 26. Juli 1842. Er wechselt auf Anraten seines Beichtvaters Friedrich Windischmann nach drei Semestern in München in die rheinische Kleinstadt Bonn. Sein Biograf Hans-Joachim Kracht resümiert: „Kolpings Studienaufenthalt in München und die damit verbundene Studienreise nach Tirol und Italien können in ihrer Bedeutung für den weiteren Lebensweg kaum überschätzt werden“.

Die theologische Fakultät in Bonn mit ihren 122 Studenten ist in zwei Lager gespalten: in Anhänger und Gegner des bereits elf Jahre zuvor verstorbenen Theologen Georg Hermes. Dieser war ein Reformtheologe, der sich von der Philosophie Immanuel Kants und dessen Rationalismus inspirieren lies. Zu seinen schärfsten Kritikern gehörte der Bonner Philosoph Karl Josef Windischmann, Vater von Kolpings Beichtvater in München, Friedrich Windischmann.

Der von der Aufklärung geprägte Vernunftoptimismus führte Georg Hermes zu Irrtümern, die rasch von Papst Gregor XVI. verurteilt wurden. Obwohl das kirchliche Lehramt damit schon längst Klarheit geschaffen hat, werden zu Kolpings Studienzeit die theologischen Streitigkeiten leidenschaftlich fortgesetzt.

Kolping schreibt dazu: „Das Treiben hier ist nicht Begeisterung für die Sache, sondern nur ein unsinniges Wüten zu nennen.“ Er selbst tritt entschieden für das kirchliche Lehramt ein. Für ihn ist die Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubensfragen eine Selbstverständlichkeit. Das „hermesianische System“ bezeichnet Kolping als „häretisches Element, das wie korrosives Gift um sich frisst und die Atmosphäre mit mephistischen Dünsten erfüllt“. Viele Theologiedozenten hält Kolping für „kalte Gestalten“ ohne Ausstrahlung und Begeisterung.

In Bonn wird Professor Franz Xaver Dieringer zu einer prägenden Persönlichkeit:„Er tritt fest und entschieden auf, predigt den Katholizismus aus vollem Herzen und mit fester Überzeugung“, schreibt Kolping über sein Bonner Vorbild. Dieringer wird 1844 Mitbegründer und Präsident des Boromäusvereins mit dem Ziel der „Belebung christlicher Gesinnung“ und der „Verbreitung guter Schriften“. Später gehört er zu den Förderern des Bonner Gesellenvereins.

Kolping begeistert sich auch für den Philosophiedozenten Franz Joseph J. Clemens, der – so Kolping – „die übernatürliche, von Gott geoffenbarte Wahrheit und die natürliche, von Menschen erforschte“ nicht als Widerspruch versteht.
Kolping betreibt auch umfangreiche Privatstudien, um einen Überblick über die wichtigsten theologischen Disziplinen zu bekommen. Heute wird sein „solides, konservativ ausgerichtetes Wissen … von Umfang und Inhalt her deutlich über dem damaligen Durchschnitt“ (Kracht) eingeschätzt.

In die Bonner Zeit fallen die ersten journalistischen Arbeiten Kolpings für die in Mainz erscheinenden „Katholischen Sonntagsblätter“. Darin nimmt er die kirchentreuen Theologen vor Angriffen der Reformer in Schutz.

Nach knapp zwei Jahren an der Universität Bonn tritt Kolping im Frühjahr 1844 in das Priesterseminar in der Kölner Marzellenstraße ein.
Unter den 36 Bewerbern befinden sich 16 Neulinge. Es gibt zum Beispiel Vorlesungen über Liturgie, Pädagogik, auch über praktische Aufgaben wie Krankenbesuche. Übungen im Messgesang und im Predigen gehören ebenso dazu wie die Vermittlung eines anspruchslosen Lebensstils.

Exerzitien gehören ebenfalls zur Ausbildung. Kolping beginnt das regelmäßige Breviergebet, das er bis zu seinem Lebensende gewissenhaft pflegt. Nach einem Jahr im Priesterseminar ist Kolpings Ausbildung abgeschlossen. Weihbischof Dr. Anton Gottfried Claessen erteilt Kolping sämtliche Weihen – die zum Priester am 13. April 1845.

Überschattet wird der festliche Zeremonie in der Kölner Minoritenkirche von einem traurigen Ereignis: Seine anwesenden Geschwister berichten Adolph Kolping kurz vor der Weihehandlung, dass sein Vater in der Nacht zuvor verstorben ist.

Kolping ist jetzt 31 Jahre alt. Eine Woche nach seiner Weihe feiert er in Kerpen seine Primiz. Seine Predigt stellt er unter die Aufforderung Jesu: „Du folge mir nach!“ Die sorgfältig ausgearbeitete Predigt behandelt die beiden Fragen: 1. Warum wir Christus, dem Herrn, nachfolgen sollen. Und 2.: Worin hauptsächlich diese Nachfolge besteht.

Ostern 1845 tritt Adolph Kolping seine erste Stelle an. Er kommt als Kaplan nach Elberfeld, heute ein Stadtteil von Wuppertal. Dort bleibt er vier Jahre. Das Tal an der Wupper gehört zu dieser Zeit zu den am stärksten industrialisierten Gebieten Deutschlands. Die Bevölkerungszahl von Elberfeld verdreifacht sich in der Lebenszeit Kolpings. Angelockt von Arbeitsplätzen in Spinnereien, Färbereien und Webereien hoffen die Menschen auf ein besseres Leben dank der aufstrebenden Textilindustrie. Doch das ersehnte Glück in der Stadt kehrt sich oft ins Gegenteil. Wohnungsnot, Hunger, Krankheit und Elend sind die Folgen der Frühindustrialisierung.

Die Gemeinde St. Laurentius zählt 9.000 Seelen – ein großes Arbeitsgebiet für den Pfarrer und seine beiden Kapläne. Mit großem Ernst und Pflichtgefühl geht Kolping seiner Aufgabe als Priester nach. Seine Predigten bereitet er intensiv vor.

Wie entsteht nun die Gründung des Elberfelder Gesellenvereins? Bei einer Fronleichnamsprozession entwickeln die beiden Schreinergesellen Georg Gerlach und Fritz Kamp die Idee, gemeinsam mit anderen katholischen Gesellen teilzunehmen. Mit einer Fahne wollen sie dabei auf sich aufmerksam machen. Sie laden Gesellen, die sie unterstützen, zu Gesangsproben in die Werkstatt des selbstständigen Schreinermeisters Josef Thiel ein.

Bald wird es – aufgrund des großen Zulaufs – zu eng. Die Gruppe zieht zu ihren Gesangsproben in die Mädchenschule um. Dort ist Johann Gregor Breuer als Hauptlehrer tätig. Er beginnt damit, den Gesang mit den Handwerksgesellen einzuüben und macht den Vorschlag, sich auch nach der Prozession weiter in der Mädchenschule zu treffen. Er bemerkt die unzureichende Bildung der Gesellen und ergänzt die Gesangsabende mit Erzählungen, Vorlesungen und gemütlichen Unterhaltungen.

Am 26. Oktober 1846 sind zur Verabschiedung eines Vereinsstatuts bereits 46 Gesellen anwesend, Ende des Jahres sind es 77. Inzwischen hat Johann Gregor Breuer eine Denkschrift verfasst, in welcher er die Notwendigkeit beschreibt, jungen Männern, besonders Handwerksgesellen, Fortbildung und Unterhaltung in ihrer Freizeit anzubieten. Zwecks Unterstützung wendet sich Breuer an die Geistlichen in St. Laurentius. Die Kapläne Steenaerts und Kolping sind begeistert. Sie beteiligen sich an der Vortragsarbeit. Der Dienstältere von beiden, Steenaerts, wird zum Präses gewählt. Zu Vorstehern werden Johann Gregor Breuer und Jakob Ermekeil gewählt. Der Elberfelder Gesellenverein ist damit eindeutig eine Laieninitiative – zu dieser Zeit keine Selbstverständlichkeit.

Nachdem der bisherige Präses Kaplan Steenaerts versetzt wird, folgt ihm Kolping im Mai 1847 im Amt des Präses. Als am 7. Juli 1847 der Erzbischof von Köln, Johannes von Geissel, die Pfarrei in Elberfeld besucht, nutzt Kolping die Gelegenheit, ihm den Gesellenverein mit all seinen Vorzügen nahe zu bringen und von seinem Oberhirten die kirchliche Zustimmung zu dieser Idee zu erhalten. Damit erfolgt ein erster Schritt zur Ausbreitung der Idee des Gesellenvereines.

Kolping schreibt an seinen früheren Dozenten Ignaz Döllinger in München: „Ich brenne vor Verlangen, diesen Verein noch im ganzen katholischen Deutschland eingeführt zu sehen.“ Noch in Elberfeld verfasst Kolping die programmatischen Schrift „Der Gesellenverein. Motto: Tätige Liebe heilt alle Wunden, bloße Worte mehren nur den Schmerz.“
Besonders nach seiner Versetzung nach Köln im Jahr 1849 wirbt er mit dieser Schrift für die Gründung weiterer Gesellenvereine. Darin beschreibt er den Alltag vieler Handwerksgesellen: „Habe ja selbst tief in den Abgrund gesehen, dem ein guter Teil dieser jungen Leute in unverzeihlicher Torheit zustürzt, habe mehr gesehen und erfahren, als ich dir erzählen mag.“ Als Antwort darauf schildert er das Konzept des Gesellenvereins, das in Elberfeld bereits erprobt wurde.

Kolpings Konzept:
„Was dem jungen Handwerker zunächst fehlt, ist ein kräftiger moralischer Halt im Le­ben.“
„Weiter fehlt ihm zu­meist die Gelegenheit, sich außer der Werkstätte und dem Wirtshause irgendwo behag­lich niederzusetzen und wenigstens eine Weile sich mit ernsten ihn bildenden Dingen zu befassen.“
„Es fehlt ihm ferner die Gelegenheit, sich für seinen Beruf, für seine Zukunft gewissermaßen auszubilden.“
„Noch mehr fehlt ihm: eine passende, Geist und Gemüt wahrhaft aufrichtende und stärkende Unterhaltung und Erheiterung.“
„Auch muß die Religion wieder wach gerufen und aufgefrischt werden in seinem Herzen, indem ihm wieder ein lebhafteres Interesse dafür eingeflößt wird.“
„Man richte nur in allen Städten, wenn nicht in allen größern Gemeinden, einen freundlichen, geräumigen Saal ein, sorge am Sonn- und Feiertage wie am Montag Abend für Beleuchtung und im Winter für behagliche Wärme dazu.“

Kolping bewirbt sich mehrmals beim Kölner Erzbischof um eine Stelle in der Stadt Köln, denn dort sieht er die Möglichkeit, die Idee des Gesellenvereins zu verbreiten. Am 15. März 1849 wird ihm die Stelle eines Domvikars am Dom in Köln übertragen.
Am Sonntag, den 6. Mai 1849, findet in der Kolumbaschule die Gründungsversammlung des ersten Kölner Gesellenvereins statt. Nach einem halben Jahr zählt der Verein bereits 550 Mitglieder.

Nach der erfolgreichen Gründung eines Gesellenvereins in Köln beginnt für Kolping eine rastlose Reisetätigkeit in ganz Deutschland; fast alle wichtigen Städte – auch in Österreich und der Schweiz – werden besucht, und vielerorts werden Gesellenvereine gegründet.

Kolping erkennt die Bedeutung der Presse als das Massenkommunikationsmittel seiner Zeit. Er beginnt als freier Mitarbeiter, Redakteur und später Chefredakteur des Rheinischen Kirchenblattes. Dann wagt er den Schritt und gründet eine neue Wochenzeitung – diesmal nicht als kirchliche Publikation, sondern als Volksblatt für Haus, Familie und Handwerk. Er bietet damit vielen Menschen, die sich eine kostspielige Tageszeitung nicht leisten können, eine vergleichbar preisgünstige Alternative. Berichte aus dem Wirken des Gesellenvereins spielen nur eine Nebenrolle. Gerne nutzt er das Wochenblatt, um seine Vorstellungen einer christlichen Lebensgestaltung einem breiten Publikum nahe zu bringen.

Er ist zugleich Chefredakteur und Herausgeber eines sehr erfolgreichen Wochenblatts und eines Volkskalenders. Die „Rheinischen Volksblätter“ erreichen eine für diese Zeit hohe Auflage von 6200 Exemplaren. Sein „Kalender für das katholische Volk“ erreicht gar eine Auflage von 14 000 Exemplaren. Der Salzburger Publizistikwissenschaftler Michael Schmolke hat ihn als einen der erfolgreichsten Publizisten des 19. Jahrhunderts bezeichnet. Kolping selbst beklagt sich immer wieder über die viele Arbeit, die mit dieser Aufgabe verbunden ist. Das hält ihn nicht davon ab, auch eine eigene Zeitschrift für die Leitungskräfte im Verband zu gründen.

Für Adolph Kolping hat längst eine Zeit rastlosen und energiegeladenen Arbeitens begonnen. Die beeindruckenden Erfolge beflügeln ihn weiter. Er führt einen umfangreichen Briefwechsel mit Persönlichkeiten in ganz Deutschland, predigt, hält Reden, ist Vereinspräses und arbeitet als Domvikar und Seelsorger, der völlig selbstverständlich bei einer Choleraepidemie in Köln im Jahr 1849 im Bürgerhospital bei der Krankenpflege mitarbeitet.

Nach dem Beispiel der Neugründung in Köln entstehen in rascher Folge Gesellenvereine in Düsseldorf, Aachen, Bonn, Essen und Krefeld. Kolping erkennt, dass eine verbindliche Zusammenarbeit der einzelnen Vereine notwendig ist. Im Herbst 1850 schließen sich deshalb die Gesellenvereine von Elberfeld, Köln und Düsseldorf zum „Rheinischen Gesellenbund“ zusammen – der erste und wichtigste Schritt zum Verbandsaufbau.

Im Herbst 1851 spricht Kolping auf der Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands in Mainz – dem Vorläufer der heutigen Katholikentage. Diese Mainzer Rede ist für die weitere Ausbreitung der Gesellenvereine in ganz Deutschland von entscheidender Bedeutung.

Im Jahr 1852 reist Kolping nach Süddeutschland, gründet Gesellenvereine in Augsburg und München, reist weiter nach Innsbruck, Salzburg, Linz, Steyr und Wien, wo er ebenfalls Vereinsgründungen initiiert. In Wien gewinnt er den Religionslehrer Anton Gruscha zum vertrauten Freund, der später Kardinal von Wien wird und Kolpings Werk sehr fördert.
Die Rückreise führt über Prag und Berlin, und überall auf dem Weg liegen Vereinsgründungen; dabei sind die Reisen schwierig und beschwerlich, denn das Eisenbahnnetz wird gerade erst aufgebaut, und oft genug muss Kolping auf die gute alte Postkutsche zurückgreifen.

1856 reist Kolping nach Dresden, Prag, Wien, Graz, Laibach, Triest, Agram (Zagreb) und Budapest. Seine letzte große Reise führt Kolping 1863 in die Schweiz nach Einsiedeln, Rorschach, St. Gallen, Chur und Luzern; zurück geht es über Freiburg und Karlsruhe. Wieder gründet er überall Gesellenvereine oder besucht bestehende Vereine.

Drei Jahre nach der Gründung in Köln gibt es bereits 24 Gesellenvereine. Das Wachstum ist rasant: Ein Jahr später ist die Gesamtzahl bereits auf 70 angestiegen. Weitere fünf Jahre später sind es 185. Und in Kolpings Todesjahr 1865 bestehen 420 Vereine. Die Zahl der Mitglieder lässt sich nur schätzen. 1861 gibt es vermutlich 50.000 aktive Mitglieder, also ledige Handwerksgesellen. Zählt man die Ehemaligen hinzu, verdoppelt sich die Anzahl.

Worauf gründet sich dieser Erfolg? Neu ist Selbstorganisation der Betroffenen: Kolping schafft ein Netzwerk in den Gesellenhospizen als Unterkünfte, zugleich als Arbeitsvermittlung, Anlaufstelle für Kontakte und zur Weiterbildung. Der Nutzen für die Gesellen ist erheblich.
Die Vermittlung beruflicher Kompetenzen in den Gesellenvereinen ist vorteilhaft: Bereits die Teilnahme am Elementarunterricht mit Rechnen und Schreiben verschafft erhebliche Qualifizierungsvorsprünge gegenüber anderen, die nicht im Gesellenverein sind.
Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung persönlicher Kompetenzen: Die Vermittlung von lebenswerten Zielen, christlichen Tugenden und Werten trägt zur persönlichen Stabilität der Gesellen bei.

Als Kolping mit seinem Freund Gruscha 1862 nach Rom reist, findet er in zwei Audienzen bei Papst Pius IX. Anerkennung, Lob und Unterstützung für sein Werk.

Die rastlose Arbeit hat Kolpings Gesundheit ruiniert, die von Jugend an angeschlagen ist. Bereits mit 50 Jahren ist er ein todkranker Mann. Ein quälender Bluthusten – eine schwere chronische und nun akute asthmatische Erkrankung – zwingt Kolping auf ärztliches Anraten hin zu einem Kuraufenthalt im Seebad Ostende. Im Sommer 1865 findet er damit eine Linderung seines Leidens, doch nach anstrengenden Auftritten kommt im November 1865 der gesundheitliche Zusammenbruch. Kurz zuvor erlebt er noch die Eröffnung des neuen Gesellenhauses an der Breite Straße in Köln mit.

Am Tag vor seinem Tod wacht auch sein Bruder Wilhelm am Sterbebett Kolpings. Als Adolph Kolping ihn sieht, ergreift er das Kreuz, das er aus Rom mitgebracht hat und reicht es seinem Bruder mit den Worten: „Dies schenk ich dir. Wehr dich damit.“ Am nächsten Tag, dem 4. Dezember 1865, nachmittags um 14 Uhr, stirbt Adolph Kolping. Am 7. Dezember 1865 wird er feierlich und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Köln zu Grabe getragen und nachträglich in der Minoritenkirche bestattet.

Am 27. Oktober 1991 wird er in Rom von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen. Heute sind nahezu eine Viertelmillion Mitglieder im Kolpingwerk Deutschland organisiert. Weltweit wächst das Kolpingwerk und ist inzwischen in mehr als 60 Ländern verbreitet.

Das Christentum ist nicht bloß für die Kirche und für die Betkammern, sondern für das ganze Leben.

Adolph Kolping

Das Schicksal der Familie ist über kurz oder lang das Schicksal des Landes.

Adolph Kolping

Je mehr du Gott kennenlernst, desto lieber wirst du ihm dienen.

Adolph Kolping

Der Weltmensch denkt an dieses Leben, an sich; ihn leitet der Eigennutz. Den Christen bestimmt etwas Höheres, er opfert auf, gibt dran, um etwas zu gewinnen.

Adolph Kolping

Christus, der Herr, hat die Erlösung vollbracht, also auch die Knechtschaft aufgehoben, nicht bloß die leibliche, sondern ganz besonders die geistige. Des Menschen Natur ringt nach Freiheit; Christus macht sie frei, und das ist die Vollendung seines Erlösungswerkes.

Adolph Kolping

Die Lebensmitte des Menschen ist sein Herz, ist sein Gemüt. ... Deshalb wird der Mensch auch nach seinem Herzen, nicht nach seinem Kopf gewogen und geschätzt; deshalb ist der Mensch auch gerade soviel wert, als sein Herz wert ist.

Adolph Kolping