Hildegard
von Bingen

 

 

Die Freundschaft mit Gott gab ihr die Kraft, sich mit mächtigen Männern anzulegen. Ihre Eingebungen hat sie in mehreren Büchern verewigt. Sie ist die größte Mystikerin Deutschlands und als Kirchenlehrerin universal anerkannt.

Sie hat sich zwar als mittelalterliche Frau mit mächtigen Männern angelegt, 900 Jahre nach ihrer Geburt hat sie der deutsche Staat dennoch mit einer Sonderbriefmarke und einer Sondermünze geehrt. Hildegard ist konsequent ihrer inneren Überzeugung gefolgt und hat deshalb viele Konflikte erlebt. Sie war mit sich selbst und mit Gott im Reinen; das gab ihr die Kraft für diesen anstrengenden Weg. Schon als Kind hat Hildegard Eingebungen.

Diese Äbtissin aus dem Mittelalter stellt bei aller Faszination für den modernen Menschen eine Verunsicherung und Herausforderung dar. Sie besticht durch ihre mutiges Auftreten als Frau, durch eine großartige Kosmologie, eine Naturheilkunde, ihre Mystik und Musik – und doch ist das alles auch wieder eigenartig fremd und läßt sich nicht ohne Brüche in unser modernes Welt- und Menschenbild einfügen. Besonders sperrig ist ihre visionäre Theologie, die allen modernen Interpretationen zum Trotz das Christusereignis in den Mittelpunkt der Weltgeschichte stellt.

Als Visionärin bezog sie ihr Wissen intuitiv aus ihrer inneren Schau – kaum akzeptabel für den wissenschaftlich denkenden Menschen des 21. Jahrhunderts. Deshalb wird teils versucht, Hildegard auf eine fromme, etwas eigenartige Nonne des Mittelalters zu reduzieren.

Wer ist Hildegard von Bingen? Sie ist eine Visionärin, Mystikerin und Prophetin. Sie hatte einen besonderen Zugang zu der geistigen Welt Gottes, da sie, wie sie selbst häufig erklärt, mit der Begabung der „Inneren Schau“ ausgestattet war. Sie sah mit den inneren Augen ihrer Seele und hörte mit dem inneren Ohr, bei wachen äußeren Augen und Ohren. In dieser Schau wurden ihr die Geheimnisse Gottes, des Menschen, des Kosmos, der Natur und der innere Sinn der  Heiligen Schriften durchscheinend klar. Sie konnte die Kräfte erkennen, die Gott in die Schöpfung gelegt hat, und auf welche Weise diese Kräfte in den Geschöpfen wirken. Ihre Gabe der Schau unterscheidet sich dadurch von den mystischen Erfahrungen anderer Visionäre, dass sie in der lebendig erlebten Gegenwart Gottes nicht nur eine innere  Liebeserfahrung macht. Der heutige Mensch ist dagegen „spirituell ausgehungert“ (Paul M. Zulehner). In der Zerrissenheit, Orientierungslosigkeit und Sinnkrise unserer Zeit kann Hildegard wichtige Lebensbotschaften vermitteln.

Der Angelpunkt ist für viele Menschen ihre Heilkunde, von der aus sie einen Zugang zu Person und Werk Hildegards finden.

 

Die Heilkunde der hl. Hildegard ist eine ganzheitliche Heilkunde. Sie umfasst den Menschen in all seinen Lebensbezügen. Ihre Anziehungskraft leitet sich davon her, dass sie sowohl eine Naturheilkunde beinhaltet als auch die geistig-seelische Seite des Heilungsvorgangs einschließt. Beide Aspekte treffen heute auf eine große Akzeptanz. Viele Menschen sind skeptisch geworden gegenüber den hochwirksamen pharmazeutischen Präparaten mit ihren Nebenwirkungen, sie sympathisieren mit traditionellen Heilweisen fernöstlicher Kulturen, die auch die spirituelle Seite von Gesundheit und Krankheit einbeziehen. Mit Hildegard von Bingen besitzen wir eine Heilkunde, die aus unserem Kulturkreis stammt, mit einer umfassenden Sichtweise vom Menschen, der ein Teil des Kosmos und abhängig von den Kräften der Natur ist. Zugleich ist er durch seine Geistseele verbunden mit der geistigen Welt der göttlichen Wirklichkeiten. Hildegard ist eine christliche Mystikerin, das heißt, sie verkündet und lebt die Botschaft von der überwältigenden Liebe Gottes in Jesus Christus, so dass der Mensch sich nicht allein gelassen und verlassen fühlen muss, sondern der göttlichen Hilfe gewiss sein darf. Das ist der innerste Kern der heilenden Botschaft bei Hildegard von Bingen. Das Ziel aller Heilung ist der von innen heraus heile Mensch, der zu seinem Heil in Gott findet.

Der Mensch ist komponiert aus Geist und Materie. Er ist das einzige Wesen mit Bewusstsein, Urteilsfähigkeit, Vernunft und freiem Willen. So hat Gott den Menschen als sein Abbild geschaffen und ihm die Seele als göttlichen Funken eingehaucht. Gott wollte den Menschen als Wesen mit einer freien Entscheidung. Gott und Mensch stehen zueinander in einer personalen Beziehung, in einem dialogischen Verhältnis. Jeder Mensch als Person ist ein einmaliger Gedanke Gottes. Das Ziel des Lebens besteht nicht in der Auflösung der Person, sondern im Eins-Sein zwischen Gott und Mensch in einer Liebesbeziehung.
Diese biblische, befreiende und erlösende Botschaft vermittelt Hildegard von Bingen.

Lebensgeschichte: Hildegard von Bingen

Hildegard wurde als zehnte Tochter des rheinfränkischen Edelfreien Hildebert von Bermersheim-Alzey und seiner Frau Mechthild geboren und in der Martinskirche in Bermersheim getauft. Schon als kränkliches Kind hatte sie Visionen; sie behielt diese prophetische Gabe, vorauszusehen und Gegenwärtiges im Blick auf die Zukunft richtig zu deuten, ihr Leben lang. Hildegard wurde ab ihrem achten Lebensjahr bei ihrer Verwandten Jutta von Sponheim in deren Klause erzogen, aus der dann das Benediktinerinnenkloster Disibodenberg wuchs. Auch hier war Hildegard immer wieder krank, kaum fähig zum Gehen, oft auch durch Sehbehinderungen eingeschränkt.

Nach Juttas Tod 1136 wurde Hildegard deren Nachfolgerin als Priorin, entschied aber, 1147/48 ihr eigenes Kloster über dem Grab von Rupert von Bingen zu gründen.

Hildegard zog 1151 mit 18 Schwestern in dieses heute nicht mehr vorhandene Kloster auf die Rupertsberg genannte Anhöhe bei Bingen und war die Äbtissin. Männer und Frauen aller Stände des Volkes suchten sie in ihrem Kloster auf oder baten schriftlich um ihren Rat; mit Kaiser Friedrich Barbarossa führte sie einen ausführlichen Briefwechsel. Da sie selbst nicht perfekt Lateinisch konnte, diktierte sie alle ihre Schriften. 1165 gründete sie das heute noch bestehende Tochterkloster Eibingen bei Rüdesheim.

Man nannte die wohl größte Mystikerin Deutschlands ehrfurchtsvoll “Tischgenossin Gottes”. Hildegard war Künstlerin und Wissenschaftlerin, Mystikerin und Ärztin, Dichterin und politisch engagiert, dennoch von zartem und gebrechlichem Wesen und dies in einer von Männern dominierten Welt. Ihre Regeln für eine gesunde Lebensführung klammerten auch die Sexualität nicht aus, ihre Gedanken zur Rolle der Frau waren mutig und richtungsweisend. Unter dem ständigen Druck der über sie kommenden Gesichte begann Hildegard 1141, ihre Visionen schriftlich festhalten zu lassen; dabei half ihr der Mönch Volmar, der sie schon bei ihrer Ausbildung im Kloster als Magister begleitet hatte. Sie wurde darin von Bernhard von Clairvaux unterstützt; er erreichte bei Papst Eugen III. die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Schriften, als dieser 1148 auf der Synode von Trier weilte, auf der Teile von Hildegards “Scivias” “Wege (Gottes)” verlesen wurden.

Hildegard predigte auch auf dem Marktplatz in Trier und öffentlich auf vier Reisen, sie beriet Kaiser Barbarossa in Ingelheim am Rhein, ritt noch in hohem Alter ins 1138 gegründete Kloster der Zisterzienser nach Maulbronn und ins Kloster Zwiefalten, “von innerem Licht beauftragt, ihre himmlische Belehrung mitzuteilen”. Nach Aufstellung des dritten Gegenpapstes, Callistus III., durch Kaiser Barbarossa bezog Hildegard in einem Brief an ihn eindeutig Stellung, bekannte sich zu Papst Alexander III. und schrieb freimutig: „Gib acht, dass der höchste König dich nicht zu Boden streckt!”

„Kraftvoll protestiert” hat Hildegard auch „gegen Bischöfe und Papst”, wie Papst Benedikt XVI. 2006 in einem Fernsehinterview lobte: Sie hatte einen exkommunizierten Edelmann, der sich aber mit der Kirche wieder ausgesöhnt hatte, auf dem Klosterfriedhof Rupertsberg bei Bingen in geweihter Erde begraben; der Bischof von Mainz verlangte, dass er ausgegraben und auf den Schandacker geworfen werde. Hildegard aber schrieb ihm, dass sie seiner Aufforderung nicht nachkommen werde, denn die Gerechtigkeit stehe über dem Gehorsam. Darauf verhängte der Bischof das “Interdikt”, wonach keine Sakramente mehr gespendet werden dürfen, sodass ihr ganze Kloster von jeder sakramentalen Handlung ausgeschlossen war; Hildegard blieb dennoch bis zu ihrem Tod dem Grundsatz treu, denn “es brannte in ihrer Brust eine Liebe, die keinen Menschen ausschloss”, so Hildegards Biograf, der Mönch Gottfried Theoderich.

Ihr erstes, 1141 bis 1147 verfasstes visionäres Werk “Liber Scivias Domini”, „Wisse die Wege Gottes”, schrieb Hildegard zusammen mit Propst Volmar von Disibodenberg, den sie “symmista”, “Miteingeweihten”, nannte. Das schwer verständliche Buch ist durchweg prophetisch und mahnend in der Art von Ezechiel und der Offenbarung des Johannes. Hildegard schlägt einen großen heilsgeschichtlichen Bogen von der Schöpfung der Welt und des Menschen über das Werden und Sein der Kirche bis zur Erlösung und Vollendung am Ende der Zeiten. Die ewige Geschichte von Gott und Mensch, von Abkehr und Hinwendung des Menschen zu seinem Schöpfer, wird in immer neuen Bildern anschaulich gemacht. Das ihr oft zugeschriebene Zitat „Werde was du bist – Mensch, werde Mensch” stammt zwar nicht von Hildegard, charakterisiert aber ihre Denkweise.

„Die heilige Gottheit kann keiner je begreifen, nicht einmal berühren mit seinem Verstand, so hoch er ihn auch emporrecken mag. Gott ist höher als alles”, schrieb sie knapp hundert Jahre, bevor Thomas von Aquin genau dies in unübertroffener Meisterschaft versuchte – bis auch er nach einer mystischen Erfahrung ein Jahr vor seinem Tod dieses Bemühen einstellte. Das Geheimnis des Geistes Gottes ist für Hildegard aber in der Schöpfung erfahrbar: „Alles durchdringst Du, die Höhen, die Tiefen, jeglichen Abgrund.” Das Obere begenet dem Unteren, der Schöpfer in der Schöpfung, in jedem Menschen, jedem Tier, jeder Pflanze, jedem Stein lässt er sich lesen, Belebtes und Unbelebte klingen zusammen in einer großen “Symphonia”. Die Erde ist nicht die endgültige Heimat des Menschen, aber sie ist viel mehr als wertlose Hülle.

Das Grundübel des Menschen besteht für Hildegard darin, dass er – mit dem “schwarzen Engel” – immer nur “Ich und Ich” sagt und “sich anmaßend selbst das Gesetz gibt, so als ob er sein eigener Gott sei”. Die Lösung sei, sich selbst zu verlassen, die eigene Unordnung – dann erst den Leib – zu kurieren durch Reue: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel. Das heißt: gegen das himmlische Kunstwerk, das ich selbst bin”. Der einzige, der wirklich den Namen „Arzt” verdiene, Christus, vermittelt die Einsicht und öffnet den Weg zum Vater.

Hildegard war auch als Dramaturgin, Dichterin und Komponistin, verfasste Texte und Melodien zu 77 Liedern und das Singspiel “Ordo virtutum”, “Spiel der Kräfte”, in dem sie den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse in 35 dramatischen Dialogen zur Darstellung bringt. Musik war für Hildegard eine besondere Gabe Gottes zur Unterstützung des Heilsweges des Menschen; das Prinzip der von Gott geschaffenen Ordnung zeigt sich auch in ihren musikalischen Werken.

Theologisch brachte sie dieses Thema in ihrem zweiten großen Hauptwerk, dem “Liber vitae meritorum”, “Buch des verdienstlichen Lebens”, verfast 1158 bis 1163, noch einmal zur Sprache. Der Mensch, so Hildegards Grundanliegen, ist frei geschaffen und sein Leben lang in die Entscheidung gestellt, seiner in der Schöpfung grundgelegten Gottesebenbildlichkeit zu entsprechen; als Vorbild enthält das Buch eine malerische Lebensbeschreibung Christi.

Ihr letztes, 1163 bis 1170 entstandenes Werk war das “Liber divinorum operum”, “Buch der göttlichen Werke”, eine Betrachtung der Natur im Licht des Glaubens, ein gewaltiges, den gesamten Kosmos betrachtendes Werk. Hildegard lässt die Welt als Kunstwerk Gottes aufstrahlen; der Mensch erscheint als Mikrokosmos, der in all seinen körperlichen und geistigen Gegebenheiten die Gesetzmäßigkeiten des gesamten (Makro-)Kosmos widerspiegelt. Alles ist aufeinander bezogen, wechselseitig miteinander verbunden und in Gott untrennbar vereint. “O Mensch”, ruft Hildegard aus, “schau dir doch den Menschen richtig an: Der Mensch hat ja Himmel und Erde und die ganze übrige Kreatur schon in sich selber und ist doch eine ganze Gestalt.”

Im Herzen des Universums steht für Hildegard der Mensch, das “volle Werk” des Schöpfers, denn nur der Mensch kann ihn erkennen; aber deshalb steht der Mensch auch vor der Entscheidung: steigt er empor, hebt er die Schöpfung mit sich empor; fällt er, reißt er die Schöpfung mit in den Abgrund. “Immer haben wir den Geschmack des Paradiesapfels im Munde” – die Lust der Empörung und Selbstzerstörung. Die Freiheit des Menschen führte zur Ursünde, aber Gott wollte freie Menschen: “Mit der Macht deiner überaus herrlichen Kraft überwältigst du niemand.”

Hildegard empfand sehr stark die Auswirkungen des menschlichen Handelns auf die Schöpfung – im Guten wie im Bösen. Von Umweltaktivisten ist sie heute noch gar nicht richtig wahrgenommen.
Gottes “liebende Umarmung aller Kreatur” erhebt die Schöpfung über das bloß Natürliche hinaus und richtet sie zugleich – auf und zurecht. Wenn der Mensch seine Ichbezogenheit, sein Aufbegehren gegen Gott, beendet, erfährt er sich in freundschaftlicher Verbundenheit mit den anderen Geschöpfen, taucht die “Urfreude” in ihm auf: die Seligkeit, gewollt zu sein; Hildegard nennt das die “fröhliche Wissenschaft”: “Jedes Geschöpf ist mit einem anderen verbunden, und jedes Wesen wird durch ein anders gehalten.” Das anzustrebende Gott ähnlich Werden liegt im Zusammenspiel von Erkennen und Handeln, “contemplatio” und “actio” haben gleich gewichtig zu sein.

Der Gedanke der Einheit und Ganzheit ist auch der Schlüssel zu Hildegards natur- und heilkundlichen Schriften. Krankheit ist für sie ein Defizit oder Ungleichgewicht, Gesundheit dagegen das Gleichgewicht der Seele. In ihren Werken “Causae et curae”, “Ursachen und Behandlung”, und ihrer “Physica”, “Naturkunde”, wird deutlich, dass Heil und Heilung des kranken Menschen allein von der Hinwendung zum Glauben ausgehen kann, denn der Glaube allein bringt gute Werke und eine maßvolle Lebens-Ordnung hervor. In ihren über Jahrzehnte bis zu ihrem Tod geschriebenen Büchern “Liber simplicis medicinae” und “Liber compositae medicinae” hat Hildegard 280 Pflanzen und Bäume katalogisiert und nach ihrem Nutzen für Kranke aufgelistet. Der Rupertsberg wurde das Zentrum der Kranken, Hilfe- und Ratsuchenden des ganzen damaligen Rheingaus.
Hildegards seelsorgliche Arbeit galt vor allem dem Klerus, der damals zu verweltlichen drohte. Alle, die ein Vorsteheramt zu verwalten hatten, warnte sie vor Härte und empfahl Barmherzigkeit und Maßhaltung. In Köln sprach sie öffentlich zum Klerus, die Predigt ist erhalten: “Ihr seid eine Nacht, die Finsternis ausatmet, und wie ein Volk, das nicht arbeitet. Ihr liegt am Boden und seid kein Halt für die Kirche, sondern ihr flieht in die Höhle eurer Lust. Und wegen eures ekelhaften Reichtums und Geizes sowie anderer Eitelkeiten unterweist ihr eure Untergebenen nicht. Ihr solltet eine Feuersäule sein, den Menschen vorausziehen und sie aufrufen, gute Werke zu tun.”

1632 wurde das Kloster Rupertsberg zerstört, Hildegards Reliquien wurden nach Köln, später nach Eibingen gebracht. Ihre Nonnenkrone – eine textile Goldborte mit bestickten Amuletten – und Haarreliquien kamen in die Benediktinerabtei nach Trier, nach der Auflösung 1802 schließlich in den Besitz einer französischen Adelsfamilie und 2000 ins Textilmuseum der Abegg-Stiftung in Riggisberg bei Bern in der Schweiz.

Theodor Schnitzler nannte Hildegard “Deutschlands größte Frau”. In neuerer Zeit hat Hildegard besonders mit ihren Vorstellungen von Naturheilkunde und Ernährung wieder große Beachtung gefunden.

Schon Papst Gregor IX. leitete um 1235 ein Heiligsprechungsverfahren ein, das aber nie zu Ende geführt wurde.  Dennoch wurde sie 1584 ins Martyrologium Romanum aufgenommen; allerdings wurde auch oft darauf verwiesen, dass Hildegard nie eine offizielle Heiligsprechung zuteil wurde.

Die Deutsche Bischofskonferenz stellte in Rom den Antrag, Hildegard als Kirchenlehrerin anzuerkennen. Voraussetzung dafür ist aber eine offizielle Heiligsprechung, deshalb wurde wieder eine Prüfung eingeleitet. Am 10. Mai 2012 hat Papst Benedikt XVI. schließlich angeordnet, dass Hildegard ohne förmliches Verfahren in den Heiligenkalender aufgenommen wird; dies ist aber keine Heiligsprechung im üblichen Sinn, denn dazu braucht es einen liturgischen Akt in einem Gottesdienst; Benedikt XVI. hat also eigentlich nur angeordnet, was seit 1584 gilt.

Am 7. Oktober 2012 wurde Hildegard von Papst Benedikt XVI. zur Kirchenlehrerin erhoben.


https://www.heiligenlexikon.de/BiographienH/Hildegard_von_Bingen.html

Schon als ich im Schoß meiner Mutter heranwuchs, vom Hauch Gottes lebendig gemacht, hat er mir dieses Schauen eingeprägt... Als ich drei Jahre alt war, schaute ich ein so helles Licht, dass ich innerlich erzitterte. Weil ich aber noch so ein kleines Kind war, konnte ich nicht darüber sprechen. Bis zum fünfzehnten Lebensjahr schaute ich vieles, und manchmal erzählte ich es einfach. Aber jene, die es hörten, wunderten sich sehr darüber, woher ich das alles wisse und woher es komme. Nun wunderte ich mich selbst darüber, dass offenbar nur ich diese Schau hatte. Daraufhin schwieg ich über das, was ich schaute, so gut ich konnte.“

Hildegard von Bingen
Frühe Lebensbeschreibung

Im Jahre 1141 der Menschwerdung Jesu Christi, als ich zweiundvierzig Jahre und sieben Monate alt war, sah ich ein überaus stark funkelndes Licht aus dem geöffneten Himmel kommen. Es durchströmte mein Gehirn, mein Herz und meine Brust ganz und gar, gleich einer Flamme, die jedoch nicht brennt, sondern erwärmt. Es erglühte mich so, wie die Sonne einen Gegenstand erwärmt, auf den sie ihre Strahlen ergießt. Und plötzlich hatte ich die Einsicht in den Sinn und die Auslegung des Psalters, des Evangeliums und der anderen Schriften des Alten und Neuen Testamentes.”

Hildegard von Bingen
Vorwort Scivias