Nicolas Herman

Vollkommenes Glück in der Gegenwart Gottes

Alles aus Liebe zu Gott

Der franösische Karmelitermönch Bruder Lorenz (1614-1691) praktizierte eine einfache Übung, durch die er möglichst ständig in die Gegenwart Gottes gelangte. In seinem Heimatland fast vergessen, führte die Universalität seiner Methode dazu, dass „Brother Laurence” auch unter Mitgliedern anderer Religionen Anhänger gefunden hat.

Zu Beginn seines religiösen Lebens machte er sich folgende Gedanken zu eigen:

  • Gott braucht nichts.
  • Ich möchte nichts tun, was Gott missfällt, ich möchte, dass alles, was ich tue, Gott gefällt. Darum werde ich alles, was ich zu tun habe, aus Liebe zu Gott machen.

Daraus resultierte seine Übung, all seine Tätigkeiten bewusst aus Liebe zu Gott zu verrichten.

 

Zitate

Ich habe nichts anderes zu tun, als zu lieben und mit Gott fröhlich zu sein.

Man muss in der Gegenwart Gottes bleiben und sich immer wieder mit ihm unterhalten. Es ist eine Schande, wenn man das Gespräch mit Gott unterlässt, um stattdessen an törichte Dinge zu denken.

Wir müssen unseren Glauben zum Leben er­wecken. Es ist traurig, dass wir einen so kleinen Glauben haben und dass wir, anstatt den Glau­ben als Richtschnur des Lebens zu nehmen, uns die Zeit mit kleinen frommen Übungen vertreiben, die keinen Bestand haben können.

Man muss sich für Zeit und Ewigkeit ganz und mit reiner Hingabe Gott überlassen und man muss sein Glück darin suchen, dass man seinen Willen erfüllt.

Wollen wir dahin gelangen, uns Gott so zu überlassen, wie er es von uns erwartet, so müs­sen wir sorgfältig auf alle Bewegungen unserer Seele achten, in der sich Geistiges mit gröberen Dingen vermengt. Gott erleuchtet zu diesem Zweck jeden, der in Wahrheit den Wunsch hat, ihm anzugehören.

Ich habe mir in allen meinen Handlungen zum Ziel gesetzt, alles aus Liebe zu Gott zu tun. Seitdem fühle ich mich wohl. Ich bin zufrieden, wenn ich aus Liebe zu Gott einen Strohhalm vom Boden aufheben darf. Ich suche Gott allein und nichts anderes, nicht einmal seine Gaben.

Am Anfang muss man sich etwas anstrengen, um es sich zur Gewohnheit zu machen, ständig mit Gott zu wandeln und ihm über alles, was man tut, Rechenschaft zu geben. Hat man sich aber ein wenig darum bemüht, fühlt man sich ohne Zwang aus Liebe dazu hingezogen.

Wir müssen sehr einfach mit Gott verkehren und zu ihm ganz aufrichtig sprechen und in den Dingen, die uns gerade begegnen, seine Hilfe erbitten. Gott versäumt nie, uns zu helfen. Ich habe es oft erfahren.

Auf meine Fehler achte ich sorgfältig und wundere mich nicht über sie. Ich bekenne sie Gott, verteidige mich nicht und ver­suche nicht, mich zu rechtfertigen. Danach kehre ich wieder im Frieden zu meiner gewohn­ten Übung der Liebe und der Verehrung zurück.

Am Anfang habe ich oft die ganze Zeit des Gebetes damit verbracht, Gedanken zurückzuweisen und wieder in sie zu verfallen. Ich habe es niemals fertiggebracht, wie die anderen nach einer bestimmten Vorschrift zu beten. Gleich­wohl habe ich mich darum am Anfang eine Zeit­ lang ernsthaft bemüht.

Alle Werke der Buße und alle anderen Übun­gen können nur den einen Zweck haben, dass der Mensch sich mit Gott durch die Liebe ver­eint. Ich habe darüber viel nachgedacht. Und ich habe gefunden: Es ist ein viel kürzerer Weg, unmittelbar zu ihm zu gelangen, indem man sich ständig in der Liebe übt und alles aus Liebe zu Gott vollbringt.

Nicolas Herman

Nicolas Herman: Lebensbeschreibung

Nicolas Herman war nicht reich an irdischen Gütern. Er hat sein Leben zum großen Teil in der Küche verbracht. Leid und Misserfolge blie­ben ihm nicht erspart. Und doch war er glück­licher als die meisten anderen Menschen. Die Welt kennt ihn kaum. Um an ihn zu erinnern, werden hier seine sämtlichen Schriften mit Be­ richten von Augenzeugen unter dem Titel «Die wahre Freude» zusammengefaßt.

Um 1608 wurde er in Lothringen in dem klei­nen Ort Herimini- heute Herimenil- bei Lune­ville geboren. Er war Soldat, mußte diesen Be­ ruf aber aufgeben, als er im Dreißigjährigen Krieg – um 1634 bei Rambervillers – verwun­det wurde. Nach seiner Genesung entschloß er sich, Diener zu werden. Später hat er vorüber­ gehend das Leben eines Eremiten geführt. Etwa in seinem vierzigsten Lebensjahr trat er als Laienbruder in das Kloster der Unbeschuhten Karmeliter in Paris ein. Hier hat man ihn Bruder Lorenz von der Auferstehung – Frere Laurent de la Resurrection – genannt und ihn überwie­gend in der Küche, zeitweise auch in der Schusterwerkstätte beschäftigt. Am 12. Februar 1691 ist er, über achtzig Jahre alt, in Paris gestorben.

In einer Lebensbeschreibung, die in Frankreich kurz nach seinem Tode erschien, wird berich­tet: «Bruder Lorenz war friedfertig und immer verlässlich; er war einer der besten Menschen der Welt. Sein gutes Gesicht, sein natürliches, freundliches Wesen, seine einfache und beschei­dene Art gewannen ihm vom ersten Augenblick an die Achtung und das Vertrauen aller, die ihn kannten. Hatte man öfter mit ihm zu tun, so be­gegnete man immer wieder Beweisen seiner be­sonderen Redlichkeit und einer außergewöhn­lichen Güte. Er vermied es, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken; er hat immer die schlichte Einheit des gemeinsamen Lebens bewahrt. Bruder Lorenz schätzte nicht jene strenge und finstere Art, die nur dazu dient, den Mitmenschen Angst einzujagen.Er gehörte auch nicht zu den Leuten, die niemals nachgeben wollen und die meinen, man könne nicht fromm und gleichzeitig höflich und freundlich sein. Er heuchelte nicht, er zierte sich nicht; er war sehr menschlich zu jedermann und stets aufrichtig zu seinen Brüdern und Freun­den; er hat nicht erwartet, von ihnen besonders beachtet zu werden. Es war sein Wunsch, unbekannt zu sein und verborgen zu leben.»

Über seine Tätigkeit als Koch berichtet die gleiche Quelle: «Obwohl seine Beschäftigung anstrengend und mühsam war – er verrichtete oft die Arbeit von zweien -, sah man ihn nie­mals in Hast und Eile. Er blieb stets gelassen, nahm sich für jede Aufgabe die notwendige Zeit und war dabei immer ruhig und beschei­den. Fleißig, aber ohne Hetze ging er seiner Arbeit nach und verblieb ständig im Gleichmut des Geistes und in einem durch nichts getrübten Frieden. Er hat dieses Amt mit großer Nächsten­ liebe etwa dreißig Jahre lang ausgeübt.»

Sein liebevolles Verhalten gegenüber seinen Mitmenschen wird mehrfach erwähnt: «Er han­delte im Vertrauen auf die Wahrheit des Wortes, das unser Herr im Evangelium sagt: Was ihr den Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Darum gab er sich besondere Mühe, in allen Ämtern, die er versah, seinen Brüdern zu dienen. Das gilt vor allem für seinen Dienst in der Küche … Er half den Armen in ihren Nöten, soweit er dazu in der Lage war. Er tröstete sie in ihren Kümmernissen und stand ihnen mit seinem Rat zur Seite… Mit einem Wort: Er hat seinen Nächsten alles Gute erwie­sen und keinem etwas Böses getan.»

In der gleichen Schrift wird darauf hingewiesen, Bruder Lorenz habe sich hin und wieder Notizen gemacht und auch kleinere Abhand­lungen geschrieben. Er habe aber die Aufzeich­nungen möglichst vor anderen geheimgehalten und sie sehr oft aus Demut und Bescheidenheit sofort wieder vernichtet. So ist der größte Teil seiner Schriften verloren gegangen.

Nicolas Herman war jedoch nicht etwa ängst­lich oder schüchtern. Mut und Gelassenheit, die für ihn besonders kennzeichnend sind, hatte er bereits als Soldat bewiesen. Als man ihn im Kriege unter dem Verdacht, er sei ein Spion, gefangen nahm und ihm mit dem Galgen drohte, hat er ruhig erklärt, er werde grundlos verdäch­tigt, er fürchte aber den Tod nicht, denn er habe ein gutes Gewissen; darauf ließ man ihn frei. In den ersten Jahren seines Klosterlebens wurde ihm mitgeteilt, man trage sich mit dem Gedan­ken, ihn aus dem Kloster zu jagen. Seine Ant­wort: «Ich bin in Gottes Hand, er wird mit mir tun, was ihm gefällt; ich arbeite nicht, um den Menschen zu gefallen; wenn ich ihm hier nicht nützlich sein kann, werde ich ihm an einer an­ deren Stelle dienen.» Später hat er sich in ähn­lichem Sinne geäußert: «Es ist nicht wichtig, was ich tue oder was ich erleide; entscheidend ist nur, daß mich die Liebe mit Gottes Willen vereint.» Er war bemüht, während seiner täg­lichen Arbeit so eng wie möglich mit Gott ver­bunden zu bleiben, und er hat diesen Weg die Übung der Gegenwart Gottes -l’exercise de la presence de Dieu – genannt. Der Gedanke an die Gegenwart Gottes bildet das Kernstück sei­ner Gespräche, Briefe und Schriften.

Er hat seine Gewohnheit mit einfachen Wor­ten selber beschrieben: «Sobald ich am Morgen meine Arbeit begann, sagte ich mit kindlichem Vertrauen: Mein Gott, Du bist bei mir. Du willst, daß ich meinen Geist jetzt diesen äußeren Dingen zuwende. Gib mir die Gnade, bei Dir zu sein und mit Dir verbunden zu bleiben. Da­ mit das geschehen kann, bitte ich Dich: Herr, arbeite Du mit mir. Nimm meine Werke an. Ich will sie aus Liebe zu Dir vollbringen. Während des Tages fuhr ich dann fort, mit Gott vertrau­lich zu sprechen, meine kleinen Dienste für ihn zu tun und ihn um seine Hilfe zu bitten. War die Arbeit beendet, so prüfte ich: Habe ich alles richtig getan? Fand ich Gutes, dankte ich Gott. Entdeckte ich Fehler, bat ich ihn um Verzei­hung. Ohne den Mut zu verlieren, lenkte ich meine Gedanken auf die rechte Bahn und be­gann wieder, bei Gott zu sein, als hätte ich mich niemals von ihm entfernt. So erhob ich mich, wenn ich gefallen war. Weil ich diese Akte des Glaubens und der Liebe sehr oft wiederholt ha­be, bin ich daran so gewöhnt, dass es mir heute ebenso schwer fällt, nicht an Gott zu denken, wie es mir am Anfang Mühe bereitet hat, mich an den Gedanken an Gott zu gewöhnen.»

Nach dem alten Bericht hat Bruder Lorenz außer seiner Verwundung mehrere schwere Er­krankungen mit vorbildlicher Geduld ertragen. 35 Jahre lang machte ihm ein hart­näckiges Ischiasleiden zu schaffen; zuletzt be­reitete eine Rippenfellentzündung ihm große Schmerzen. Noch kurz vor seinem Ende hat er in Briefen, die kaum eine Andeutung seiner ei­genen Krankheit enthalten, andere Menschen getröstet. Ruhig und gefaßt, wie er gelebt hatte, sah er dem Tod entgegen. Bis zum letzten Au­genblick völlig klar, hat Nicolas Herman nach einem Leben, das auf eine natürliche Weise die innere Sammlung mit der Arbeit für die Ge­meinschaft verband, diese Erde ohne Todes­kampf in großer Ruhe verlassen.